Die Stimme des Königs

In einer Erzählung von Max Lucado schlagen sich drei edle Ritter und ihre Begleiter durch einen dunklen, unheimlichen Wald, um zum Schloss des Königs zu gelangen. In diesem Wald hausen die Hoffnungslosen. Sie versuchen alles, um die Wanderer in die Irre zu führen. Aber deren Orientierung ist das Lied des Königs. Nur er und sein Sohn spielen es auf einer ganz besonderen Flöte. Dreimal täglich ertönt nun die Melodie vom Schloss her und weist den Edlen den Weg. Aber gleichzeitig hallt der Wald von tausend ähnlichen Melodien wider, mit denen die Hoffnungslosen den König imitieren. Nur einer kommt schließlich ans Ziel: der Weiseste, der sich als Begleiter den Königssohn selbst ausgesucht hat. Von ihm lernt er das Lied des Königs so gut, dass er es aus tausenden falschen Flöten heraushört. Und nur das Hinhören auf diese vertraute Melodie brachte ihn ans Ziel, zum König selbst.

Es ist laut in unserer Welt. Viele Stimmen dringen an unser Ohr, lärmend und fordernd. Kein Wunder, dass so mancher nicht mehr hinhören will oder auch nicht mehr zuhören kann. So werden oftmals auch die leisen Töne der Stimme Gottes überhört und übertönt. Aber Gott lässt uns damit nicht alleine. In Markus 9,7 richtet Gott die Aufmerksamkeit der Jünger auf die wesentliche Stimme: „Dies ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören!“ Und von ihm hören wir nur gute und heilsame Worte, die unser Leben verändern können. In der persönlichen Glaubensbeziehung zu Jesus Christus können wir seine Stimme hören, egal wie laut es um uns herum oder sogar in uns sein mag. Diese Stimme begleitet uns gerade auch dann, wenn uns andere Stimmen entmutigen oder verwirren wollen. Das Hinhören auf seine Stimme, auf sein Wort, bringt uns ans Ziel. Jesus ist der Weg zum Vater, zu Gott.

(Diesen Text stammt von Lutz Kettwig und wurde einer früheren Ausgabe des „Neukirchner Kalenders“ entnommen).

Sei getrost und unverzagt

Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag, als mir die Verantwortung für die Arbeit von Schloss Klaus übertragen wurde. Damals stand ich vor einer großen Aufgabe und einer noch größeren Herausforderung. Mein Herz war verständlicherweise auch ein wenig verzagt.

Doch da schob mir jemand zum Schluss der Vollversammlung eine Karte mit einem humorvollen Bild zu: Darauf war ein kleiner Junge zu sehen, der einen riesigen Ziegenbock an der Leine führte. Oder führte der Ziegenbock den Jungen? Ich musste jedenfalls schmunzeln. Genauso fühlte ich mich jetzt, das passte wirklich in meine Situation.

Und das dazugehörige Wort aus Josua 1,7, das Gott seinem Diener Josua in einer ähnlichen Situation sagte, wurde mir Trost und Ermutigung zugleich: „Sei nur getrost und ganz unverzagt!“ Diese Worte waren Balsam für meine Seele. Aber so ist Gott: Wenn wir vor einer großen Herausforderung stehen, dann spricht er uns das zu, was wir uns selbst nicht sagen können.

Uns kann vieles verzagt machen. Wenn Krankheit uns bedroht, wenn es finanziell immer enger wird, wenn uns der Weg unserer Kinder Not macht, wenn wir nicht mehr ein noch aus wissen. Aber Gott hat eine frohe Botschaft für verzagte Herzen: Egal, was war oder was ist – sei getrost, fass neuen Mut. Egal, was ist oder was kommt – fürchte dich nicht, hab keine Angst. Denn ich bin bei dir. Ich verlasse dich nicht, verlass dich drauf!

(Dieser Text von Lutz Kettwig wurde einer früheren Ausgabe des „Neukirchner Kalenders“ entnommen).

Die Falle des Vergleichens und Verurteilens

Wie sehe ich mich

Lukas 18,9-14: Jesus wandte sich nun an einige, die in ´falschem` Selbstvertrauen meinten, ´in Gottes Augen` gerecht zu sein, und die deshalb für die anderen nur Verachtung übrig hatten. Er erzählte ihnen folgendes Beispiel: Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer und der andere ein Zolleinnehmer. Der Pharisäer stellte sich selbstbewusst hin und betete: ›Ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie die übrigen Menschen – ich bin kein Räuber, kein Betrüger und kein Ehebrecher, und ich bin auch nicht wie jener Zolleinnehmer dort. Ich faste zwei Tage in der Woche und gebe den Zehnten von allen meinen Einkünften. Der Zolleinnehmer dagegen blieb in weitem Abstand stehen und wagte nicht einmal, aufzublicken. Er schlug sich an die Brust und sagte: ›Gott, vergib mir sündigem Menschen meine Schuld! Ich sage euch: Der Zolleinnehmer war ´in Gottes Augen` gerechtfertigt, als er nach Hause ging, der Pharisäer jedoch nicht. Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; aber wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Jesus hält in dieser Situation Menschen, die mit ihrem Selbstbewusstsein protzen, dass ihnen vor Stolz fast der Hemdkragen platzt, einen Spiegel vor, indem er ihnen eine Geschichte erzählt.

Spiegel sind ganz interessante Dinge: Einerseits können wir uns erst dann selber erkennen, wenn wir uns im Spiegel gesehen haben. Wenn wir wissen wollen, ob alles ok ist, schauen wir in den Spiegel. Der Spiegel deckt alles auf, was nicht passt, bevor uns andere Menschen darauf hinweisen.

Nicht ganz so einfach ist es, wenn uns Mitmenschen einen Spiegel vorhalten, wie sie uns sehen.

Da kommt schon mal der Gedanke: Die sehen uns oft völlig falsch …So bin ich doch nicht. …

Der Spiegel, den uns andere Menschen in der Regel vorhalten ist ein vergleichender und urteilender Spiegel.- Und beide Dinge können mitunter ziemlich wehtun und unglücklich machen. Und doch tun wir das unser Leben lang sogar mit uns selber.

Womit vergleichen wir uns?

In vielen Fällen wird das Vergleichen und Urteilen angetrieben durch Minderwert, – Stolz oder Neid. Alle drei sind giftige Lebensbegleiter.

Wenn wir in diese Falle des Vergleichens tappen, dann wird es immer jemanden geben, der besser, schöner, schneller, erfolgreicher, begabter oder bevorzugter ist als ich. Solche Gedanken fördern Neid und Eifersucht. Dieses Denken führt uns weg davon, Gott zu danken für die Einzigartigkeit, die er in mich hineingelegt hat.

Der erste Mord der Menschheitsgeschichte – Kain ermordete seinen Bruder Abel, kam aus diesem Hintergrund. Manchmal höre ich Eltern klagen, dass andere Eltern so liebe Kinder haben. In der Schule sind sie so gut, mit Begeisterung gehen sie in den Kinderkreis, etc. – und sie fragen sich: warum sind unsere Kinder nicht so wunderbar?

Vergleichen ist der Weg zum Unglücklich sein!

In Verbindung mit Stolz und Selbstgerechtigkeit kann der Vergleich verhindern, dass wir die Gnade Gottes in Anspruch nehmen. Wozu, wenn ich eh selber so gut bin, wenn ich so auf den anderen schaue.

Jesus zeichnet den Menschen ein sehr drastisches Bild.

Er stellt zwei Typen von Personen gegenüber, die den Menschen damals bestens bekannt waren.

Auf der einen Seite der Pharisäer, ein besonders Frommer, der sich bemüht, ein tadelloses Leben zu leben. Der die Regeln einhält und sich als Hüter von Recht und Ordnung fühlt. Und er ist von sich selber überzeugt. Und dann sieht er einen von diesen Typen, die gar nicht in seine gerechte Welt passen. Das waren zu Zeit Jesu unter anderem die Zöllner.

„Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin, wie die anderen,“ betet er. Heute würde er vielleicht hinzufügen: Ich habe keine Bank ausgeraubt, nehme keine Drogen, habe kein Schwarzgeldkonto in Panama und gehe nicht fremd. Wer sich in den Spiegel schaut und sich so als guter Mensch wahrnimmt, braucht die Gnade Gottes nicht und keine Vergebung seiner Schuld, weil er eh alles richtig macht. Es tut dem Ego gut, sich mit Menschen zu vergleichen, auf die man herabschauen kann.

Die Falle des Vergleichens birgt für Christen die Gefahr, dass sie moralische Urteile über andere sprechen.

Jesus sagt dazu: Urteilt nicht, damit ihr nicht verurteilt werdet.

Jesus stellt diesem selbstgerechten Pharisäer (heute würde er vielleicht sagen, diesen superfrommen Christen) einen Menschen gegenüber, der den Frommen gar nicht ins Schema passt.

Er ist in einer Branche tätig, die anfällig ist für Betrügereien. Die schnell reich wurden auf Kosten anderer. Das Urteil ist schon gefällt: Ehrliche Leute würden diese Arbeit gar nicht machen. Das kann nur ein ganz gottloser Mensch sein. Ein völlig hoffnungsloser Fall. Nur nicht in dessen Nähe kommen.

Der Spiegel, den Jesus den Menschen vorhält deckt genau dieses Denken auf.

Er lässt diesen verachteten, verhassten Zöllner ein Gebet sprechen. Der Zöllner schaut auf Gott, schaut auf sich und erkennt, dass er den Maßstäben Gottes nicht gerecht wird und daher seine Gnade braucht. Er schaut auf Gott und bittet um Vergebung.

Jesus macht klar, dass dieser Mensch, der von seinen Mitmenschen verachtet wird und als unehrlich verschrien ist, das einzig Richtige tut um von Gott angenommen zu werden. Er erkennt seine Schuld und bittet um Vergebung.

Mehr braucht er nicht. Er geht heim und ist vor Gott gerechtfertigt.

Die Jünger von Jesus hatten auch ihre Probleme mit dem Vergleichen. Sie stritten darum, wer einmal im Himmel der Größte von ihnen sein würde. Wer ist Jesus näher, wer liebt ihn mehr. Da musste Jesus manchmal eingreifen, damit sie wieder zur Vernunft kamen.

Nach der Auferstehung Jesu begegnete er den Jüngern am See Genezareth und als er Petrus sagte: Folge mir nach, antwortet Petrus: Und was ist mit dem da, und deutet auf Johannes. Was wird aus ihm?

Da sagt Jesus ganz unmissverständlich: Petrus, das geht dich gar nichts an. FOLGE DU MIR NACH!   Joh 21,19 Darum geht es.

Helmut Malzner

Fundamente

Baueinsatz beim großen Innenausbau der DIG-Tagesheimstätte in Kirchdorf: Viele ehrenamtliche Helfer treffen sich an einem Samstag, um die ersten Abbrucharbeiten an Innenwänden durchzuführen. In Gesprächen mit dem Baumeister wurde im Vorfeld geklärt, welche Wände bedenkenlos entfernt werden könnten, und wo tragende Wände aufgrund der Statik vorerst stehen bleiben müssten. Ohne vom Fach zu sein leuchtete es sogar mir als Laien ein, dass tragende Wände eine wichtige Funktion für die Statik haben.

Aufgrund einer Besprechung kam ich mit Verspätung zum Baueinsatz dazu – und sah mit Schrecken, wie drei Männer damit begonnen hatten, eine tragende Wand abzureißen. Um weiteren Schaden zu vermeiden eilte ich zu ihnen, um sie auf das Versehen aufmerksam zu machen. Schnell wurde ich jedoch aufgeklärt: Nach einer späteren Absprache mit dem Baumeister wurde die Decke in diesem Bereich abgestützt, die Wand konnte somit tatsächlich bedenkenlos abgerissen werden.

Bei der Statik geht es schlicht und einfach um das, was trägt. Die Basis für jegliche Statik beim Hausbau ist das Fundament. Jede tragende Wand, jedes tragende Element muss in Beziehung zum Fundament gesetzt werden. Es hilft uns schließlich wenig, wenn das Obergeschoß statisch perfekt abgesichert ist, solange darunter keine tragenden Wände vorhanden sind. Die Grundfrage, die uns bei den Planungen und Bauarbeiten regelmäßig beschäftigt, ist daher: Was hält, was trägt?

An besagtem Tag wurde mir nach dem Abriss der abgestützten, tragenden Wand sehr eindrücklich deutlich: Diese Frage betrifft nicht nur das Gebäude, an dem wir gerade arbeiteten, sondern auch mein persönliches Leben. Wir bauen unseren Alltag auf vielen verschiedenen Elementen auf: Beziehungen, Gesundheit, Bildung, Materielles, und vieles mehr. All diese Elemente sind miteinander verbunden. Und sie sind grundsätzlich gut, wir dürfen in sie investieren.

Die Frage ist jedoch: Was hält, wenn einzelne dieser Elemente herausbrechen – so wie wir im Gebäude der Tagesheimstätte manche tragenden Mauern herausgebrochen haben? Was passiert, wenn plötzlich der Job weg ist? Wenn eine Beziehung zerbricht? Oder wenn einem von heute auf morgen die Gesundheit abhanden kommt?

Das Geheimnis eines stabilen Gebäudes ist, dass sein Halt nicht in sich selbst begründet liegt, sondern außerhalb – nämlich im Fundament.

Dieses Prinzip können wir direkt in unser Leben übersetzen: Wirklich tragen kann uns nur etwas, das außerhalb von uns selbst begründet ist, das nicht von unserer Leistung, unserem Besitz, unserer Bildung oder unserer Gesundheit abhängig ist. Etwas das auch dann noch trägt, wenn manches oder vieles in unserem Leben wegbricht.

In der Bibel lesen wir die ermutigende Zusage: „Gott, dir vertraue ich… denn du bist mein Fels“ (Psalm 31,2+4). In unser Bild übersetzt ist der Fels das Fundament. Der Verfasser dieses Psalms hat persönlich erlebt was es heißt, das Leben außerhalb von sich selbst festzumachen, auf einem tragenden Fundament – bei Gott.

Besonders deutlich ist mir das bei der Beerdigung von Hans-Peter Royer geworden, dem früheren Leiter des Tauernhofs in Schladming, der bei einem Sportunfall tödlich verunglückte. Schon zu Lebzeiten hatte er regelmäßig betont, dass der Fels, das Fundament seines Lebens, die persönliche Glaubensbeziehung zu Jesus Christus war. Mehrmals hatte er erwähnt, dass folgender Bibelvers auf seinem Grabstein stehen sollte:

„Christus ist mein Leben, und Sterben mein Gewinn“. (Philipper 1,21)

So ist es schließlich geschehen. Hier geht es nicht um eine Todessehnsucht, sondern schlicht und einfach darum: Wenn das Leben auf einem Fundament steht, das sogar unser Leben überdauert, dann verliert selbst der Tod seinen Schrecken. Denn dann bricht nicht alles zusammen, auch wenn sämtliche sichtbaren Wände des Lebens einstürzen.

Christus ist mein Leben. Das bedeutet: Jesus ist nicht nur der Statiker, der uns erklärt, wie unser Leben stabil sein kann. Sondern er bietet sich selber als Fundament an, das auch dann hält, wenn nichts anderes unserem Leben sicheren Halt geben kann.

Der Gott der zweiten Chance

Ich habe das Vorrecht, das Albanien-Projekt von Schloss Klaus seit seinen Anfängen vor mehr als zwanzig Jahren begleiten zu dürfen. Aus dem ursprünglichen Flüchtlingsprojekt während des Kosovo-Krieges ist mittlerweile eine Freizeitarbeit im albanischen Erseka mit bis zu 2.000 Teilnehmern pro Jahr entstanden, sowie eine internationale sechsmonatige Kurzbibelschule mit Teilnehmern aus Albanien und der ganzen Welt. Ein altes Lagerhaus, das als Flüchtlingsunterkunft eingerichtet werden sollte, blieb nach Kriegsende ohne Verwendung und wurde schrittweise zu einem schönen, attraktiven Freizeitzentrum umgebaut.

So wie dieses Gebäude eine zweite Chance bekam, und zu einer früher nicht geahnten Schönheit und Verwendung geführt wurde, erleben wir in Albanien regelmäßig, wie auch Menschen eine zweite Chance bekommen.

Eines Tages standen zwei vernachlässigte Roma-Mädchen, Julie und Rosela, vor der Evangelischen Gemeinde in Erseka. Sie wurden von den Mitarbeitern nicht nur herzlich aufgenommen, sondern mehrere Jahre lang liebevoll betreut. Bei unseren Projektpartnern lernten sie lesen und schreiben, konnten sich in ihrer Persönlichkeit entwickeln und fanden durch den persönlichen Glauben an Jesus Christus Hoffnung und Perspektiven für ihr Leben. Diese Entwicklung mitzuerleben war für mich sehr bewegend. Aber das war noch nicht das Ende der Geschichte:

Wenige Jahre später standen vier Waisenkinder vor der Tür. Sie sollten auf mehrere Waisenhäuser im Land aufgeteilt werden. Die Christen in Erseka nahmen sich um diese Kinder an, und unerwartet sprach das Gericht unseren albanischen Projektpartnern das Sorgerecht für die Kinder zu. Aus diesen Anfängen ist eine Waisenarbeit entstanden, in der momentan zwölf Waisenkinder vollständig betreut werden, zusätzlich gibt es Nachmittagsbetreuung für Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen.

Bei meinem letzten Besuch in Erseka konnte ich miterleben, wie diese Waisenkinder im Alltag betreut werden. Die beiden inzwischen erwachsenen Roma-Mädchen Julie und Rosela haben sich zu tragenden Mitarbeiterinnen entwickelt. Am Tag vor meinem Rückflug nach Österreich erzählte mir eine der beiden sehr bewegt, wie dankbar sie sei: „Ich habe so viel Liebe von den Christen und von Jesus Christus erfahren. Wenn ich daran denke, welche Chance mir Gott gegeben hat, fehlen mir die Worte und ich kann meine Dankbarkeit nicht in Worte fassen! Dass uns Gott trotz unseres hoffnungslosen, zerbrochenen Hintergrundes so geführt und uns Türen geöffnet hat, übersteigt all unser Begreifen…“

Aus menschlicher Sicht waren diese beiden Roma-Mädchen in ihrer Gesellschaft nicht viel wert, und menschlich gesehen hatten sie keine Hoffnung auf ein gutes, positives Leben. Wie ermutigend ist demgegenüber die klare Aussage in der Bibel über Gottes Sichtweise: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, aber Gott sieht das Herz an“ (1. Samuel 16,7). Das ist in mehrfacher Hinsicht befreiend:

Einerseits gibt uns Gott eine Chance, wo uns Menschen keine Chance geben. In unserer Gesellschaft gibt es ganz bestimmte Vorstellungen davon, wie man sein muss um wertvoll zu sein. Diesen menschlichen Standard erreichen viele von uns nicht immer. Aber Gott sieht uns ganz anders, er liebt uns so, wie wir sind.

Andererseits brauchen wir Gott nichts vorzumachen, er kennt uns ja sowieso bis in unser tiefstes Inneres. Und weil wir ihm nichts vormachen können, müssen wir uns auch nicht damit abmühen. Er kann gut mit unseren Schwächen, unseren Fehlern, unserem Versagen umgehen. Das einzige, was Gott hier von uns fordert ist, dass wir damit zu ihm kommen, dass wir alles, was uns von ihm trennt, bei ihm abgeben.

Hier schließt sich der Kreis: Die unantastbare Menschenwürde, der unermessliche Wert, den die sogenannte „hoffnungslose Fälle“ in Albanien erhalten hatten, gilt auch uns. Jedem von uns. Unabhängig von unseren Schwächen, Fehlern und Defiziten liegen unser Wert und unsere Würde darin begründet, dass uns Gott unendlich liebt und uns so annimmt, wie wir sind. Bei ihm sind wir mit all unseren Defiziten bestens aufgehoben.

Wenn nicht alles glatt läuft

Manchmal läuft alles glatt. Ganz oft aber ist genau das Gegenteil der Fall. Kennt ihr diese für das Leben so typischen Situationen, wo manches hakt und sich spießt, wo die Dinge mühsam sind und eben nicht glatt laufen? Der Autor und Pfarrer Axel Kühner berichtet von dem Erlebnis einer Missionarin, das für ihn hier zum Augenöffner wurde:

Eine Missionarin in Taiwan kümmerte sich intensiv um eine Siedlung von Leprakranken. Als ihr einmal eine größere Summe Geld zur Verfügung stand, ließ sie die Wege der Siedlung, die sich bei Regenwetter in tiefen Morast verwandelten und für kranke Füße unbegehbar wurden, neu machen und betonieren. Sie freute sich auf die glatten Wege und war sehr enttäuscht, als sie sah, dass die neuen Straßen nicht glatt wurden, sondern dass man sie aufraute. Sie beschwerte sich, wurde dann aber belehrt: „Wenn die Wege nicht rau sind, fallen die Leute mit ihren kranken Füßen hin, weil sie mit ihren Stöcken ausrutschen!“.

Das bewegte die Missionarin sehr. Am Abend erzählte sie ihrem Mann davon. Nachdenklich fügte sie hinzu: „Macht Gott unsere Wege deswegen auch manchmal ein bisschen rau, damit unsere kranken Füße und Stützen nicht ausrutschen, sondern Halt finden?“

Wir wünschen uns glatte und ebene Wege, die ohne Mühe zu gehen sind. Wir denken, alles müsse glatt und schnell gehen. Und doch sind es manchmal die rauen Wege, die uns davor bewahren, auf dem Weg durch unser Leben auszugleiten und hinzufallen.

Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht.“ (Psalm 121,3)