Wohin mit meiner Not

Jesus Christus spricht: Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet. Ich werde euch Ruhe geben. Matthäus 11/28

In schwierigen Zeiten fällt es uns manchmal nicht leicht, Worte zu finden, mit denen wir unsere Not und unseren Schmerz vor Gott ausdrücken. In solchen Zeiten kann es eine große Hilfe sein, auf Gebete zurückzugreifen, die andere vor uns in ähnlichen Situationen formuliert hatten.

Die Psalmen sind dafür eine großartige Fundgrube. Sie ermutigen uns, unser Herz vor Gott auszuschütten, alles vor ihn hinzulegen so wie wir empfinden. Sie sind unzensiert und klingen in manchen Passagen „unchristlich“. Auch abgrundtiefe Anklagen dürfen wir vor Gott ausbreiten. Gott kennt unser Herz sowieso und es ist gut, wenn das Verborgene ans Licht kommt.

Psalm 69 ist Ausdruck einer solchen Klage und eines Hilferufes, dem der Geist Gottes eine neue Perspektive verleiht. Der erste Teil des Psalms zeigt uns die bildhafte Darlegung der Situation des Beters. In seiner Verzweiflung weiß er sich nicht zu helfen. Er spricht in Bildern von seiner Angst und Unsicherheit und von seinem Warten auf Gottes Hilfe.

Verse 1 – 9

Rette mich, Gott, das Wasser steht mir bis zum Hals.

Ich versinke im tiefen Schlamm, meine Füße finden keinen Halt mehr. Die Strudel ziehen mich nach unten, und die Fluten schlagen schon über mir zusammen.

Ich habe mich heiser geschrien und bin völlig erschöpft. Mein Augensind vom Weinen ganz verquollen, vergeblich halte ich Ausschau nach meinem Gott.

Im weiteren Gebet schimmert immer wieder die zaghafte Hoffnung durch, dass Gott ihm helfen wird. Die Erinnerungen an die frühere Treue und das Erbarmen Gottes sind wie kleine Sonnenstrahlen, die die tiefe Nebelwand der Not durchdringen.

Ich aber bete zu dir, HERR! Jetzt ist die Zeit gekommen, in der du mir gnädig sein wirst. Erhöre mich, Gott, denn deine Güte ist groß und auf deine Hilfe ist immer Verlass.

Ziehe mich aus dem Sumpf heraus, lass mich nicht versinken. Rette mich vor denen, die mich hassen. Zieh mich heraus aus dem reißenden Wasser, sonst schlagen die Fluten über mir zusammen und der Strudel reißt mich in die Tiefe. Hol mich heraus, sonst verschlingt mich der Abgrund.

Erhöre mich, HERR, denn deine Güte tröstet mich. Wende dich mir zu in deinem großen Erbarmen. Verbirg dich nicht länger vor mir, ich bin doch dein Diener. Ich weiß keinen Ausweg mehr, darum erhöre mich bald.

Komm und rette mich, ja, erlöse mich, damit meine Feinde das Nachsehen haben.

Du kennst die Schmach, die man mir zufügt, du weißt, wie man mich mit Hohn und Spott überschüttet.

Und du kennst jeden, der mich bedrängt.

Die Schande bricht mir das Herz, sie macht mich krank. Ich hoffte auf Mitleid, aber nein! Ich suchte Trost und fand ihn nicht.

Dann folgt ein Abschnitt, indem der Beter seine Feinde verflucht. Da kommen uns erschreckende Verwünschungen entgegen. Er offenbart ehrlich seinen Herzenszustand und seine Haltung gegenüber seinen Feinden. Der Beter breitet diese Worte vor Gott aus und nicht vor anderen Menschen und er bleibt damit auch nicht in der Isolation.

Mach sie blind, damit sie nichts mehr sehen und lass sie für immer kraftlos hin- und herschwanken. Schütte deinen Zorn über sie aus, überwältige sie in deinem Grimm.

Ihr Besitz soll veröden, in ihren Zelten soll niemand mehr wohnen.

Denn erbarmungslos verfolgen sie den, den du doch schon gestraft hast. Schadenfroh erzählen sie von seinen Schmerzen.

Vergib ihnen nichts! Rechne ihnen jede einzelne Schuld an, damit sie nicht vor dir bestehen können. Lösche ihre Namen aus dem Buch des Lebens, damit sie nicht bei denen aufgeschrieben sind, die zu dir gehören!

Ich aber bin elend und von Schmerzen gequält. Beschütze mich, Gott, und hilf mir wieder auf!

Ab Vers 31 merken wir eine neue Perspektive, die vom Geist Gottes geschenkt wird:

Dann will ich dich loben mit meinem Lied; ich will deinen Namen rühmen und dir danken.

Daran hast du mehr Freude als an Rindern, die man dir opfert oder an fetten Stieren.

Wenn die Unterdrückten das sehen, werden sie froh. Ihr, die ihr nach Gott fragt, fragt neuen Mut!

Denn der HERR hört das Rufen der Armen und Hilflosen. Die Menschen, die um seinetwillen ins Gefängnis geworfen werden, überlässt er nicht ihrem Schicksal.

Himmel und Erde sollen ihn loben, die Meere und alles, was darin lebt!

Denn Gott wird den Berg Zion befreien und die Städte in Juda wieder aufbauen. Sein Volk wird sich darin niederlassen und das Land erneut in Besitz nehmen.

Die Nachkommen derer, die dem HERRN dienen, werden es erben, alle, die ihn leben, werden darin wohnen.

Was könnte zwischen Vers 30 und 31 passiert sein?

Was hat diese Veränderung bewirkt?

Was hat dazu geführt, dass die Klagen abrupt aufhören und der Mund des Beters von Lob und Dank überfließt?

Ist diese Veränderung dadurch zustande gekommen, dass sich der Psalmist Gottes Güte und Gottes Eingreifen in der Vergangenheit in Erinnerung gerufen hat? Diese Veränderung hat durch die Begegnung des Herzens mit Gott stattgefunden. Das Herz, das ganze Wesen ist von Gottes Erbarmen berührt worden.

Menschen beten, harren auf Gott und es scheint, als ob Gott schweigt, er greift nicht ein, er zeigt sich nicht. Warum erreicht Gott unser Herz nicht, liegt es an ihm oder an uns? Liegt es an der Gefallenheit der Welt, dass die Kommunikation zu Gott gestört ist oder liegt es an den dicken Schutzmauern, die wir um unser Herz aufgebaut haben, um uns vor Schmerz zu schützen, die uns aber zugleich auch von der Liebe Gottes trennen?

Menschen, die in notvollen Situationen stecken, brauchen Ermutigung, damit sie nicht aufgeben: „Werft eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. Gott ist treu, er wird die Armen erhören und sie nicht verlassen“. (Hebräer 10, Vers 35)

Gott will uns im Herzen begegnen, wo Verstand, Gefühl und Wille zusammenwirken und wo kein Bereich ausgeschlossen ist. Diese Begegnung mit Gott brauchen wir immer wieder, damit seine Liebe durch uns fließen kann.

Brigitte Malzner